Geschichte des Liedes

Das Kinderlied

Tiere und Wortspiele im Wiegenlied

Mit den Wiegenliedern begegnen wir einem reinen, unschuldigen Gebiet von Naturanschauungen, denn kein Verhältnis des Lebens ist so unbefangen, von aller Verstellung so frei, wie das einer Mutter zuihrem Kinde. "Gerade in den Schlummer- und Wiegenliedern webt und lebt eine Innigkeit, die wir nicht ohne Grund als Hauptbestandteil des deutschen Gemüts beanspruchen möchten; bald fromm und gottesfürchtig, bald neckisch und scherzend, jedoch immer treuherzig, offen und wahr." schrieb einmal Dr. Saalfeld.

Bezeichnend ist es, dass in vielen Wiegenliedern das Schaf erwähnt wird und dessen Tugenden dem Kinde angepriesen: es soll werden wie dieses, so sanft und duldsam, unschädlich und vergnügt; dafür verspricht ihm die zärtliche Mutter Äpfel und Nüsse, Mandeln und Feigen: nur schlafen soll's. Man darf daraus folgern, dass solche Schlummerlieder zwar nicht dem Hirtenstande, aber doch dem Leben der ansässigen Bauern entstammen, jenem Landleben, wo das Schäfchen noch des Kindes Umgebung und Spielgenosse war. Wohl auch führte der Reim von Schlaf sehr leicht auf das Schaf, von dem alles Mögliche und Unmögliche dem Baby erzählt wird.- Auch die Gänschen müssen vielfach in Wiegenliedern wie in anderen Kindersprüchen das weinende Kind mit der Vorstellung trösten, dass sie gar keine Schuhe haben: "der Schuster hat Leisten, kein Leder dazu, drum geh'n die lieben Gänschen barfuß und haben feine Schuh."

Über die Einleitungsformeln vieler Wiegenlieder: "Suse, liebe Ninne (Susaninne), Eia popeia, Heia bobbeia, HaidL popaidl" sind Erklärungen versucht und auch widersprechende gegeben. Zuletzt sind es aber doch nur unerklärbare Silbenspiele und Säusellaute zum Einschläfern; an Klangnachahmung zur Wortbildung hatte das Volk jederzeit sein Wohlgefallen. Wenn beispielsweise in einigen Wiegenliedern Huko v. Halberstadt (Halle, Bremen) angerufen wird, so ist damit nicht der Bischof Burkard von Halberstadt, noch weniger die rote Kuh beim Welt untergange, sondern der Sonnenkäfer oder Marienkäfer gemeint, der im Niederdeutschen Buköken und Mohkühken heißt; dieser beflügelte Götterbote, einst der Freyja geheiligt, welcher zum Himmel aufstiegt, soll nach Volksglauben gutes Wetter und im Kinderreime schöne Sachen mitbringen.

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